0

GENTRIFIZIERUNG IN BREMEN

­Jede Großstadt kennt ihn, diesen Virus, der sich zunehmend in jeder Stadt irgendwo wieder findet. Er vermehrt sich, weitet sich flächenmäßig aus und ständig treten neue Fälle auf. Heute sind in fast jeder Großstadt Teile infiziert. Sureija Gotzmann stellt einen Fall aus Bremen vor

Die Symptome sind eindeutig – Bremen ist erkrankt

Die Ursprungsbevölkerung wird von ihm vertrieben, die Pioniere fragen sich, warum ihr Stadtteil plötzlich so glänzt, die Yuppies regen sich auf, dass es abends immer so laut ist und die Jugend mal wieder ihren Exzess lebt. Dann gibt es die jungen Leute, viele von ihnen Student*innen, die das Viertel lieben und denen der Virus es unmöglich macht, sich ein kleines Zimmer leisten zu können.

Die beiden größten Probleme sind zum einen die Mietpreissteigungen und zum anderen der Zuzug von einer wohlhabenderen Gesellschaftsgruppe. Das führt zu Konflikten: Laute Kneipen vertragen sich nicht mit denjenigen, die morgens früh zur Arbeit aufstehen müssen. .

11986292_10206286222609166_579222682_o 12001741_10206286226249257_297163687_o

Recht auf Stadt

Was macht das Viertel für junge Menschen attraktiv? Das Quartier ist jung, dynamisch, hier ist immer was los und Viele können sich mit diesem Ort identifizieren. Einziger Nachteil sind die enormen Mietpreise.

Ist das Leben im Viertel etwa mehr wert, als das in Walle? Nein, das ist ganz alleine die Folge aus einem selbst regulierendem Markt durch Angebot und Nachfrage. Und wer sich an dieser Konsequenz stört, kann sich gleich einmal fragen, warum der Kapitalismus denn eigentlich so toll sein soll.

Aber wer hat denn jetzt das Recht im Bremer Viertel zu wohnen? Sind es die, die als erstes hier gewohnt haben,oder einfach nur die, die das Geld haben, sich den Wohnraum zu leisten?

Die andere Frage ist, wer entscheidet wie das Leben hier aussieht?

Wie geht man damit um, dass die Menschen, die hier leben älter geworden sind, arbeiten, Familien gründen und ein ruhigeres Leben führen wollen?

Heißt es also, dass die heutigen Student*innen und die junge Leute fortbleiben müssen, weil sie als letztes kamen. Oder sagt man, das Viertel war laut, ist laut und wird es immer bleiben und alle, die es stört müssen weg? Das würde heißen, wenn sich etwas in seinem Leben ändert und etwas nicht mehr mit seinem Wohnort harmoniert, muss man umziehen.

Attraktive Alternativen

Kann man auf diese Interessenkonflikte nicht eingehen und eine Lösung finden? Sollte nicht jede*r das Recht haben seinen Wohnort frei zu wählen? Es ist wahrscheinlich, dass dann die unterschiedlichsten Menschen aufeinander treffen, aber das macht eine Großstadt in seiner Vielfalt auch aus.

Weil nicht alle, die in Bremen das Studieren anfangen, Platz im Viertel finden werden, bedarf es eines anderen Raumes, in dem die jährlich neu Zuziehenden wohnen wollen. Die Lösung liegt in der Attraktivitätssteigerung von anderen Stadtteilen bzw. dem bewusst werden von ihren Potentialen.

Es müssen Konzepte entwickelt werden und Ideen gesponnen werden, die sich diesen Problematiken annehmen. Dazu benötigt es eine Beteiligung von möglichst vielen Menschen aus allen Branchen: Architekten, Soziologen, Stadtplanern, Restaurant Besitzer, Wohnungsbaugesellschaften, Mietern, Familien, Studenten und vielen mehr, die sich gemeinsam theoretisch mit der Stadt und ihren Bewohner*innen und deren Bedürfnissen beschäftigen. Diese Entwürfe können Möglichkeiten aufzeigen, dass in einem Stadtteil mehr als eine Gruppe nebeneinander und vor allem miteinander leben kann, ohne dass Konflikte entstehen. Bremen hat den Vorteil, dass es nicht so groß ist und man eigentlich nie länger als 30 Minuten benötigt, um von A nach B zu kommen und genau dieses Potenzial muss noch aktiver genutzt werden.

Da häufig Student*innen unter diesem Virus leiden und die Aussicht auf Heilung ziemlich gering ist, liegt die einzige Therapieform in dem Neuaufbau an einem anderen Ort.

Weil wenn es nicht einfach nur der Mainstream ist, der alle hier herzieht, sondern das Versorgungsangebot, müssen die Augen für andere Orte in Bremen geöffnet werden. Unentdeckte Orte wie: Walle, Woltmershausen, Huckelriede und Hemelingen warten doch eigentlich nur auf die neuen Pioniere, die sich den grauen Stadtteilen annehmen und sie zu ihren eigenen machen.

Das ist nicht von heute auf morgen getan, nur je früher man anfängt, desto eher ist er da, der neue Stadtteil, der dem Studenten gefällt.

Zusammen und nicht Gegeneinander leben
Wenn einem etwas nicht gefällt, wenn man unter der Gentrifizierung leidet, sollte man sich nicht nur beschweren, sondern etwas dagegen tun. Wenn man sich nicht selber engagiert, kann auch nichts so werden, wie man es gerne hätte. Darauf zu hoffen, dass der Senat alles so entscheidet, wie man es sich selbst wünscht und die Traumwohnung mit hohen Decken, Flügeltüren und Balkon vom Himmel fällt, ist dann doch eher unwahrscheinlich. Also entweder man nimmt die Stadtteilveränderung hin und beklagt sich nicht oder man setzt sich aktiv für das ein, was einem wichtig ist. Mit diesen Veränderungen kann man umgehen, wenn man es will. Ein Anfang ist es miteinander zu reden, um Konflikte zu umgehen, bevor sie es zu einer Eskalation kommt. Ein Zusammen Leben in einer Großstadt funktioniert nur, wenn Rücksicht auf die Interessen und Bedürfnisse aller genommen wird und nicht das meiste Geld, die Größte Macht hat

Text und Bilder von Sureija Gotzmann